Heute: Das Taschengeld reicht nicht!
von Rechtsanwältin Helga Dubberstein
25. März 2011
Der 15-jährige Mike unterschreibt in einer Musikalienhandlung einen Kaufvertrag über
Schlagzeug zu einem günstigen Preis in Höhe von 600,00 €.
Der Marktwert des Schlagzeugs liegt nachweislich bei 700,00 €. Es handelt sich hierbei
um einen Räumungsverkauf.
Zu diesem Zeitpunkt verfügt Mike über ein angespartes Taschengeld in Höhe von 500,00 €.
Diese gibt er als Anzahlung bar hin und nimmt das Schlagzeug zugleich mit. Die restlichen
100,00 € will er von seinem von ihm erwarteten Taschengeld von monatlich 50,00 € in zwei
gleichen Raten in den beiden darauffolgenden Monaten begleichen.
Sein Vater erfährt von diesem „Kauf“ und stimmt diesen nicht zu und fordert die bisherige
Anzahlung des Sohnes von der Musikalienhandlung unter Hinweis auf die Minderjährigkeit
des Sohnes zurück.
Darüber hinaus „streicht“ er Mike sein monatliches Taschengeld bis auf Weiteres.
Die Musikalienhandlung will die Anzahlung nicht herausgeben; denn sie hat das Schlagzeug
ja bereits dem Sohn übergeben und übereignet.
Hilfsweise verlangt die Musikalienhandlung im Gegenzug die Herausgabe des Schlagzeugs
und, sollte dies nicht mehr möglich sein, den Wertersatz.
Auf dem Weg zur Musikalienhandlung stürzt der Vater von Mike jedoch ohne Fremdverschul-
den so unglücklich mit dem Schlagzeug, dass er dieses nur im völlig zerstörten Zustand
zurückgeben kann.
Wie ist die Rechtslage?
Antwort:
Mike ist als Minderjähriger zwar beschränkt geschäftsfähig nach § 110 BGB, so dass er
grundsätzlich durchaus auch allein Kaufverträge abschließen kann, die von Anfang an
wirksam sind.
Dies setzt jedoch voraus, dass er die ihm obliegende Leistung aus dem Kaufvertrag mit
Mitteln bewirkt, die ihm entweder ausdrücklich zu diesem Zwecke zur Verfügung gestellt
wurden (kann hier nicht angenommen werden) oder zur freien Verfügung durch den gesetz-
lichen Vertreter (hier der Vater von Mike) oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten
überlassen worden sind.
Hier wurde zumindest die Anzahlung in Höhe von 500,00 € mit den vom Vater monatlich
zur freien Verfügung gestellten und vom Mike angesparten Taschengeld beglichen, so dass
die Anzahlung der gesetzlichen Voraussetzung genügen würde.
Indes wurde dem Sohn für die Folgezeit das Taschengeld gestrichen, so dass er die letzten
beiden Raten zu je 50,00 € nicht mit seinem Taschengeld wird begleichen können.
Letzteres hat jedoch zur Folge, dass der Kaufvertrag nicht wirksam zustande gekommen ist,
da zum einen der minderjährige Mike seine ihm obliegende vertragliche Leistung nicht voll-
ständig aus Mitteln bestreiten kann, die ihm von seinem Vater (sein gesetzlicher Vertreter)
zur freien Verfügung gestellt wurden, und der Vater von Mike zum anderen seine Zustimmung
zum Kaufvertrag versagt hat.
Dies hat zur Folge, dass hier der nicht wirksame Kauftrag gemäß § 812 BGB rückabgewickelt
werden muss,dass heißt, dass jeder die von dem anderen Vertragspartner erhaltenen Lei-
stungen zurückgewähren (aushändigen) muss. Denn da der Kaufvertrag keine Wirksamkeit
erlangt hat, erfolgten die Leistungen ohne Rechtsgrund.
Bei der zurückzuzahlenden Anzahlung an den Sohn dürfte dies grundsätzlich „kein Problem“
sein. Denn hier schuldet die Musikalienhandlung lediglich eine Geldschuld als Gattungsschuld.
Anders sieht es hier mit dem von Mike zurückzugebenden Schlagzeug aus, dass der Vater auf-
grund eines unglücklichen Sturzes des Vaters auf dem Weg zur Rückgabe ungewollt zerstört
hatte. Hier ist der konkrete Gegenstand in dem Zustand zurückzureichen, wie er von Mike
„erworben“ wurde.
Da die Herausgabe des einwandfreien Schlagzeugs nicht mehr möglich ist, stellt sich hier die
Frage, ob Mike hier Wertersatz an die Musikalienhandlung leisten muss und, wenn ja, wieviel.
Gemäß § 818 Abs. 2 BGB hat Mike hier Wertersatz zu leisten, weil er zur Herausgabe des
Kaufgegenstandes nicht in der Lage ist.
Zwar war er zum Zeitpunkt des Empfangs des Schlagzeugs noch gutgläubig davon ausge-
gangen, dass er wirksam einen Kaufvertrag schließen konnte.
Er muss sich jedoch das Wissen seines gesetzlichen Vertreters – hier seines Vaters – ab
Kenntnis vom unwirksamen Kaufvertrag gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.
Dies bedeutet, dass Mike ab Kenntnis des Vaters von der Unwirksamkeit des Kaufvertrages
verschärft nach § 819 Abs. 1 BGB haftet.
Er kann sich daher nicht auf eine Entreicherung aufgrund des plötzlichen Untergangs der
Sache (Schlagzeug) nach § 818 Abs. 3 BGB berufen. Da der Vater von Mike zu diesem Zeit-
punkt schon Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund der Leistung aufgrund des unwirksa-
men Kaufvertrages hatte. Da Mike Wertersatz zu leisten hat, muss er hier an die Musika-
lienhandlung 700,00 € Wertersatz leisten.
Eine Beschränkung auf den Kaufpreis ist nur im Einvernehmen mit der Musikalienhand-
lung möglich.
Ein Anspruch auf die Durchführung des unwirksamen Kaufvertrages, indem der Vater
nunmehr doch noch schnell zustimmt, besteht nicht, da der Vater bereits seine Zustim-
mung versagt hat.
In der nächsten Folge: 14 Jahre und schon selbständig!
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